Literatur, Zitierweise, Quellen

Für das erste Kapitel habe ich oft die 1990 erschienene Taschenbuch­ausgabe von Seefelders „Opium: eine Kulturgeschichte“ benutzt. Matthias Seefelder ist Chemiehistoriker und Honorarprofessor in Heidelberg. Vor allem aber habe ich mich auf Margit Kreutels „Opiumsucht“ gestützt, eine sehr detaillierte und genaue historische Arbeit. Für die Über­lassung des Buches danke ich Herrn Professor Hap­pel sehr, da dieses Buch nur schwer erhältlich ist. Frau Kreutel hat das Buch 1987 als pharmaziehistorische Dissertationsschrift verfaßt, es erschien ein Jahr später in einer kleinen Auflage im Deutschen Apotheker Verlag.

Für das zweite Kapitel, ‘Zur Geschichte des Alkohols’, kann ich das Buch von Gregory Austin „Alcohol in Western Society from Antiquity to 1800“ nur sehr empfehlen. Es ist umfassend und gründlich, in den USA ein Standardwerk, in Deutsch­land allerdings nur in wenigen Universitätsbibliotheken auszuleihen, etwa der von Marburg. Die wohl größte Inspiration für meine Arbeit habe ich durch das Buch „Die Macht der Trunkenheit“ von Hasso Spode erhalten, einem Berliner Sozialhistoriker und profundem Kenner breiter geschichtlicher Zusammenhänge. Frau Professorin Vogt vom Fach­bereich Sozialarbeit danke ich sehr, mir dieses Buch empfohlen zu haben.

Ich habe der besseren Lesbarkeit halber englische Zitate sorgfältig selber übersetzt und im Text mit „e.Ü.“, eigene Übersetzung, gekennzeichnet.

In einem Anhang habe ich neben der Liste der verwendeten Literatur auch eine Liste von Originalquellen erstellt, die in Sekundärliteratur (vor allem Kreutel) zitiert werden, und die ich im Text mit SQ bezeichne. In diesem „SQ-Verzeichnis“ kann der genaue bibliographische Titel zitierter Sekundärliteratur eingesehen werden, neben einer Angabe, in welchem Buch die Quelle genannt wurde. Außerdem findet man im Anhang neben der Literaturliste auch ein Personenregister, ein Abbildungsverzeichnis, und eine kleine Materialsammlung, auf die ich im Text gelegentlich Bezug nehme, indem ich in Klammern z.B. auf „Material: Homer“ verweise. Unter diesem Stichwort „Homer“ kann man dann etwa das im Text erwähnte längere Zitat aus Homers Odyssee finden.

3.3.1 Romantik, Sehnsucht und Suchen

Als Gegenbewegung zur Aufklärung wird im allgemeinen die Romantik verstanden. D e r Kernbegriff der Romantik aber war die Sehnsucht. Novalis (1772‑ 1801), einer der berühmtesten der romantischen Dichter, nahm selber zumindest des öfteren Opium, vor allem nach dem Tod seiner 15jährigen Verlobten Sophie von Kühn 1797 (vgl. Dieckhoff 1982:700).

Novalis, der „mit dem Bild der blauen Blume das zentrale Symbol der Romantik schuf“ (Kupfer 1996a:133), schrieb etwa 1798 in sein Tagebuch: „Gehts ohne Hoffnung oder sonst zu übel, so bleibt mir Bitter‑Mandel‑Wasser und Opium“. Zwei Jahre später nach Einnahme eines ‘unbekannten Schmerzmittels’: „Die Welt wird dann in einem Augenblick anders. Selbst das Traurigste erscheint mild (…) Alle Hoffnungen erwachen“ (beide Zitate vgl. Dieckhoff 1982:700).

Einer der geistigen Väter der Romantik, der junge Physiker Johann Wilhelm Ritter (1776‑1810), war einen Teil seines Lebens opiumabhängig (vgl. Dieckhoff 1982:699). Ritter, heute fast unbekannt, war einer der „faszinierendsten Theoretiker unter den Frühromantikern …, um den sich eine eigentliche Sekte bildete und der von Novalis, Schelling, den Brüdern Schlegel …, von Tieck und Brentano fast abgöttisch verehrt wurde“ (Dieckhoff 1982:699).

Seine Drogenerfahrungen hat Novalis dann offenbar in seinen „Hymnen an die Nacht“ (1800) verarbeitet. Dort schreibt er: „Hast auch du ein Gefallen an uns, dunkle Nacht? Was hälst du unter deinem Mantel, das mir unsichtbar kräftig an die Seele geht? Köstlicher Balsam träuft aus deiner Hand, aus dem Bündel Mohn. Die schweren Flügel des Gemüts hebst du empor. Dunkel und unaussprechlich fühlen wir uns bewegt …“. In der zweiten Hymne wendet er sich an den heiligen Schlaf, und teilt ihm mit: „Nur die Toren … fühlen dich nicht in der goldenen Flut der Trauben ‑ in des Mandelbaums Wunderöl, und dem braunen Saft des Mohns“. Diese drei Drogen ‑ Wein, Benzaldehyd (Blausäure), und Opium ‑ hat Novalis offenbar sehr geliebt, ebenso wie das Licht, die Nacht und den Schlaf (die ganzen ersten zwei Hym­nen des Gedichts siehe Material: Novalis).

Harten untersuchte 102 deutsche Prosawerke und Dramen, einen guten Querschnitt unterschiedlicher Stile, und zählte alle darin vorkommenden Wörter mit ‘Sucht’. Nur fünf Werke enthielten kein solches Wort. Die ‘Sehnsucht’ aber landete mit 487 Nennungen in 81 Werken auf Platz 1, gefolgt von der ‘Eifersucht’ (277 Nennungen in 59 Werken), ‘Selbstsucht’ und anderen Ich‑Süchten (68 Nennungen), der ‘Rachsucht’ (41 Nennungen) und dem Einzelwort ‘Sucht’ (35 Nennungen). ‘Trunksucht’ landet nur auf Platz 11 (7 Nennungen) (vgl. Harten 1991:102). Sehnsucht ist also der wichtigste Suchtbegriff der bürgerlichen Literatur geblieben.

Auch für die Vorstellung eines ‘Süchtigen’ im modernen Sinne ist vielleicht der romantische Sehnsuchtsbegriff prägend gewesen. Der moderne Mensch glaubt meistens, daß ‘Sucht’ von ‘suchen’ abstammt, und der Süchtige auf einer ewigen Suche nach seinem Glück oder einem Glücksgefühl sei. Auch die Etymologie nimmt an, daß das Wort ‘Sucht’ „unter dem semantischen Einfluß von (nicht verwandtem) ‘suchen’ … die Bedeutung ‘intensives Verlangen nach etwas’„ entwickelte (Pfeifer 1995:1393), wie es schon bei der Gewinnsucht zu sehen war (vgl. 3.2.2).

Solche ‘volksetymologischen Umdeutungen’ sind auch nichts Ungewöhnliches, man schlage nur einmal in einem etymologischen Wörterbuch die Begriffe ‘Seehund’ und ‘Vielfraß’ nach und lasse sich überraschen.

Jedenfalls war besonders die Wiederbelebung des Begriffs ‘Sehnsucht’ durch Romantik und bürgerlichen Roman geeignet, eine Verknüpfung oder „Kontamina-tion“ (Rieger 1905) mit dem Wort ‘suchen’ herzustellen. ‘Suchen’ wird mit „intensiv finden wollen“ umschrieben (Pfeifer 1995:1392), und man sucht nach etwas wie man sich nach etwas sehnt, und wie man eine Sucht nach einem Rauschmittel hat.

„Im Gegensatz zur Klassik hatte die Romantik das Pathologische und Dekadente entdeckt“ (Dieckhoff 1982:694). Betrachtet man dazu das „euphorische, hoffnungsfreudige Sterben“ von Novalis, der nur 29 Jahre alt wurde (vgl. Dieckhoff 1982:700), entdeckt man auch die Freude am eigenen Untergang, den Genuß an der eigenen Zerstörung, wie man ihn oft bei ‘modernen Süchtigen’ sieht. Dies ist natürlich auch eine Sache des Gefühls, dennoch ist der Zusammenhang zwischen den Sehnsüchtigen der Romantik und vielen modernen Drogensüchtigen, die im Herzen oft verzweifelte Romantiker sind, recht klar.

Die romantische, verzehrende Sehnsucht, die Suche nach der blauen Blume, ist aber immer eine vergebliche. „Das grenzenlose Heimweh nach dem Ursprung, die Sehn‑Sucht nach dem verlorenen Paradies“ (Dieckhoff 1982:694), muß notwendig unerfüllt bleiben. Darin aber unterscheidet sich der Sehn‑Sucher von dem Gralssucher des Mittelalters, dessen Suche zwar sehr lange währte, irgendwann aber von Erfolg gekrönt war, wenn er sich mit Ernst bemühte.

Novalis war auch der Schöpfer eines neuen Komposita‑Wortes mit Sucht, der ‘Todessehnsucht’ (1800). Das hat mit der Suche nach dem Gral nun nichts mehr zu tun, mit der Moderne dafür um so mehr.

Beachtet man dann noch, daß auch Hufeland, der ja an der Prägung des modernen Suchtbegriffs maßgeblich beteiligt war (vgl. 1.5.1 und 2.2.2), „unter dem Einfluß der romantischen Medizin stand“ (Spode 1993b:126), wird der Zusammenhang zwischen den Romantikern und dem modernen Suchtbegriff immer deutlicher (zur Sehnsucht vgl. auch M.Vogt 1994).